LANDGUT 2050 Urleben - Perspektiven für das Dorf 4.0
Urleben liegt in der von Agrarwirtschaft geprägten Dorfregion Seltenrain 40km nordwestlich von Erfurt. In Urleben wohnen ca. 400 Menschen. Die zwei prägenden landwirtschaftlichen Betriebe produzieren Mastschweine bzw. Milch. Circa 90 Prozent der in Urleben wohnenden arbeitenden Bevölkerung pendelt in nahegelegene Grund-, Mittel- und Oberzentren. 
Gemäß Prognose der Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2035 ist mit einem Rückgang der Einwohnerzahlen um minus 20 Prozent zu rechnen. Entsprechend prekär ist der Ausblick auf die räumlichen Auswirkungen dieser Entwicklung. Die Bevölkerung Urlebens und der Region Seltenrain ist sich dessen Bewusst und bereits in verschiedensten Organisationsformen tätig, Lösungen zu finden. 
Die Situation von Urleben lässt sich als Resultat der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte lesen und ist ohne Weiteres auf vergleichbare Dörfer - nicht nur in Thüringen - zu übertragen. Die zu erwartenden sozialen und ökonomischen Entwicklungen unterliegen durch die anstehende Digitalisierung einer zusätzlichen Beschleunigung, wenn es zu keinem umsetzbaren Entwurf einer angepassten Zukunftsstrategie kommt. 
Denkmodell
Das Team, das eine solche Zukunftsstrategie entwirft, sollte bestenfalls aus einer gemischten Gruppe von Akteuren, wie der organisierten Bevölkerung, Politik, Bürgern, Fachplanern und möglichen Investoren, bestehen und durch regen Austausch einen Gravitationspunkt in Form einer konkreten Utopie erschaffen.
Je stärker der Austausch, desto stärker wirkt dieser dynamische, sich in ständiger Anpassung befindende Gravitationspunkt als Ziel der Zukunftsstrategie. Der wichtigste Aspekt dieses Denkmodells ist, dass sich einerseits die Utopie ständig ändert und somit nie zu erreichen ist aber andererseits diese für eine Anpassung der Zukunftsstrategie von unersetzbarer Wichtigkeit ist. 
Etwaig umgesetzte Maßnahmen führen Urleben näher an den vom Team definierten Gravitationspunkt. An dieser Stelle veranschaulicht das Denkmodell mit der Darstellung von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen physikalischen Kräften (Gravitation, Fliehkraft), den Planungsprozess, verrät eventuelle Risiken (z.B. von übermäßiger Beschleunigung) und gibt einen allgemeinen konstruktiven Rahmen für die Entwicklung von Urleben. 
Vitalisierung 
Die grundsätzliche Funktion eines Dorfes ist, vereinfacht ausgedrückt, die Versorgung der Stadt mit Gütern, die nur im ländlichen Raum produziert werden können. Obwohl Urleben dieser Funktion nachkommt, stellt sich die jetzige Situation als nicht Zukunftsfähig dar. Die aus der ansässigen landwirtschaftlichen Produktion generierten Mittel können offensichtlich nicht ausreichend dazu beitragen, die Struktur, aus der sie erwachsen sind, Instand zu halten. 
Eine denkbare Lösung wäre, durch Verstärkung der Anbindung an Mittel- und Oberzentren, das Dorf als reinen ländlich gelegenen Wohnraum (mit offensichtlichen Vor- und Nachteilen gegenüber der Stadt) zu begreifen und nötige Investitionen aus nicht vor Ort generierten Mitteln zu tätigen. Dieser Ansatz wäre ohne bahnbrechenden technologischen Fortschritt von Mobilitätslösungen und hinsichtlich dem allgemeinen städtebaulichen Konsens zur nachhaltigen Lebensweise keinesfalls wünschenswert. 
Deswegen ist aus städtebaulicher Sicht eine Vitalisierung des dörflichen Metabolismus von zentraler Wichtigkeit im Sinne des utopischen Gravitationspunktes. Alleine die Realisierung eines Zustandes, in dem lokal generierte Werte lebendige lokale Strukturen ermöglichen, kann eine nachhaltige Lösung sein. 
Eine regionale Strategie zur Realisierung setzt sich aus folgenden sechs Handlungsebenen zusammen: 
- Regionale Ressourcen: effiziente, flächendeckende Verknüpfung von regionalen Ressourcen. „Die Dienstleistung kommt zum Verbraucher.“ „Regionale Teambildung bei Planungsfragen, Förderprogrammen“
- Qualität: in nachhaltige Produkte investieren. „Ökologische Landwirtschaft“
- Image: ein Bild für die Region entwickeln und stärken. „Lebenswerte, zeitgemäße, produktive Dörfer.“
- Marketing: Marketingstrategien für Produkte und Region lancieren. „Kauft nachhaltige Produkte aus Seltenrain!“ „Lebe gesund in Seltenrain!“
- Nahmarkt: regionale Nachfrage bedienen. Strukturen des Direktvertriebs aufbauen (analog+digital). 
„www.lokaler-marktplatz.de“
- Lokale Wertschöpfungsketten: erschaffen, fördern, festigen von lokalen Wertschöpfungsketten als Zentraler Punkt der Vitalisierung des dörflichen Metabolismus. Hier fließen alle o.g. Handlungsebenen im Kern insofern zusammen, als dass lokale Wertschöpfungsketten die grundlegende wirtschaftliche Schlüsselebene der Strategie darstellen.
Beispielsweise sind der derzeitige Umbau der Stallanlage in Sundhausen zu einer tierartgerechten Produktion und vor allem die ausschliesslich lokale Weiterverarbeitung bereits ein konkreter Schritt in diese Richtung. Die Nutzung einer besonderen Schweinesorte bietet ebenfalls Anknüpfungspunkte hinsichtlich Image und Marketing. 
Produktive Strategie
Für Urleben müssen ähnliche der o.g. Schritte erfolgen. Eine gleichzeitige Diversifizierung in der landwirtschaftlichen Produktion durch mögliche Ansiedlung von Kleinproduzenten bringt wichtige neue Impulse hinsichtlich lokaler Wertschöpfungsketten. Der von der prekären Entwicklung gefährdete Gebäudebestand wird somit ebenfalls genutzt. Eine lokale Zusammenführung mit Direktvermarktung auf dem Marktplatz 4.0 „www.lokaler-marktplatz.de/urleben“ ist ein Baustein der produktiven Strategie und ermöglicht die sinnvolle Umnutzung des leerstehenden Hofs an der wichtigen ortsprägenden Adresse Ecke Hauptstraße/ Straße der Einheit. Diese Qualitätssteigerung des öffentlichen Raumes bringt positive Effekte bezüglich Image und Marketing. (weitere Ausführung siehe Piktogramm)
Wohnen und soziale Mischung
Die Bewerbung Urlebens als Wohn- und Arbeitsort ist wichtig, um potentielle Bewohner zu erreichen. Auf Basis der Wohnkonzepte der Studie zu Wohntrends 2030 (www.gdw.de) und der Analyse von qualitativen Merkmalen der Bestandsimmobilien in Urleben wurden Zielgruppen definiert – beispielsweise Baugruppen mit Schwerpunkt auf nachhaltiger Lebensweise und Existenzgründer der Landwirtschaftsbranche (mögl. Zusammenarbeit mit Gründerzentren). Im Sinne einer Sharing Economy können zeitgemäße Wohnmodelle angeboten werden wie z.B. Gästewohnungen auf Dorfebene, möbliertes temporäres Wohnen sowie gemeinschaftsgenutzte Räume in Mehrfamilienhäusern. (weitere Ausführung siehe Piktogramm) 
Die Reaktivierung der ehemaligen Gaststätte als multifunktionaler Ort (Dorfkneipe, Ort für kulturelle Veranstaltungen, Sonntangscafé, usw.) stellt sich als wichtiger Baustein für die Förderung des gemeinschaftlichen Lebens und der Erhöhung der lokalen Wohnattraktivität dar. 
Infrastruktur und barrierefreier öffentlicher Raum
Urleben als nachhaltiges, produktives Dorf zukunftsfähig zu gestalten beinhaltet im Zusammenhang mit der anfänglich dargestellten Problematik eine möglichst autonome Energieversorgung. Dies ist ebenfalls als Teil der lokalen Wertschöpfung zu verstehen. Außerdem spielt der Nachhaltigkeitsgedanke, insbesondere bei der Energieversorgung, eine große Rolle hinsichtlich der Präferenzen der in Frage kommenden Zielgruppen neuer Einwohner. 
Die bereits stattfindende Nutzung regenerativer Energien ist auszubauen. Ein Kaltewärmenetz mit geothermischer Energiegewinnung und dezentralen Wärmepumpen wäre eine optimale Lösung für eine Nutzung regenerativer Energien zu Heiz- und Kühlzwecken. Ein weiteres wichtiges Thema ist der Breitbandausbau. (weitere Ausführung siehe Piktogramm)
Zur Schaffung eines positiven, modernen, naturnahen, nachhaltigen Bildes für Urleben ist eine angemessene Qualität der öffentlichen Räume wichtig. Aus akutem Grund ist eine barrierefreie Gestaltung der bestehenden Freiräume und ihre Vernetzung wünschenswert. Die Anbindung an den regionalen Fahrradweg im Norden Urlebens sollte berücksichtigt werden. 
Neue Plätze an der Straße der Einheit sowohl in Klein- als auch in Großurleben würden der Durchgangsstrasse mehr Aufenthaltsqualität verleihen und ein „Ankommen in Urleben“ vermitteln. (weitere Ausführung siehe Piktogramm)
Neubau Sackgasse 40 
Ein Neubau anstelle des als „Rückbauimmobilie“ eingestuften Gebäudes im Wettbewerbsgebiet ermöglicht die Schaffung neuer Wohnangebote, die an den Bedarf von Urleben angepasst sind. 
Die Umgebung dieser Wohnangebote ist von dichten Hofstrukturen geprägt, deren Gebäude mehrheitlich bis an die Grundstücksgrenzen heranreichen. Vom Kontext inspiriert bildet die Anordnung der neuen Gebäude im nördlichen Teil eine hofähnliche Situation. 
Anders als bei der historischen Bausubstanz wird hier, soweit möglich und städtebaulich sinnvoll, die Grenzbebauung vermieden, um gute Besonnungs-, Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse zu erreichen. 
Das barrierefreie Mehrgenerationenhaus soll zunächst auch das Wohnmodell des „Betreuten Wohnens“ anbieten um die akute Nachfrage zu decken. Der Grundriss und die Bauweise des Hauses ist so angelegt, dass zukünftige Bedarfe wie z.B. Kita oder angepasste Wohnungsgrössen realisiert werden können. Der Gemeischaftsraum im Erdgeschoss mit direktem Zugang zum Südgarten bietet einen Treffpunkt für Bewohner. 

Marktplatz 4.0 – überdachter öffentlicher Raum
Umnutzung des leerstehenden ortsbildprägenden Gebäudes Ecke Hauptstraße/ Straße der Einheit als überdachter Marktplatz und multifunktionaler Hof (Wochenmarkt, Weihnachtsmarkt, lokale Feier, etc.). 
Logistikzentrale Direktverkauf von www.lokaler-marktplatz.de in Urleben. 
Umbau der Außenfläche mit einheitlichem Bodenbelag über die Straßengrenze hinaus. Schaffung eines Aussenraumes mit der Qualität „Ankommen in Kleinurleben“ - mischgenutzt, barrierefrei, attraktiv. 

Publikation Plattform Wohndebatte: https://baukultur-thueringen.de/publikationen/wohnbaublatt-03/
Back to Top